Bosch AS Bietigheim: Betriebsrat und IG Metall rufen die Arbeitgeberseite zu ernsthaften Verhandlungen auf.

Für den Geschäftsführer der IG Metall Ludwigsburg, Matthias Fuchs, ist es unerklärlich, warum Bosch AS viele Millionen Euro für die Vernichtung von Arbeitsplätzen ausgeben will, anstatt das Geld in die Zukunft der Belegschaft zu investieren. Der Betriebsratsvorsitzende Vincenzo Basile: „Die Arbeitgeberseite muss endlich mit dem Betriebsrat und der IG Metall ernsthaft über mögliche Alternativen zur Fertigungsschließung verhandeln.“

Der Betriebsrat des Bosch Automotive Steering Standorts Bietigheim und die IG Metall haben heute, 12. Oktober 2020, den Antrag der Arbeitgeberseite auf Errichtung einer Einigungsstelle zurückgewiesen. Die Arbeitgeberseite hatte in den Verhandlungen am 9. Oktober 2020 unerwartet verkündet, die Einigungsstelle anrufen zu wollen. Reguläre Verhandlungstermine sind bis einschließlich Ende November vereinbart.

Mit dieser Vorgehensweise und seiner Presseerklärung vom 9. Oktober 2020 manifestiert der Arbeitgeber den Bruch des laufenden Sozialtarifvertrages: „Die Haupterzeugnisse des Werks laufen in den kommenden Monaten aus. Die wenigen restlichen Tätigkeiten sollen von bestehenden Standorten, beispielsweise Schwäbisch Gmünd und Maklár (Ungarn) übernommen werden.“

Das Vorgehen der Arbeitgeberseite um Bereichsvorstand Hans Bernd Ketteler ist widersprüchlich, dürfte aber einem seit langem gefassten Plan folgen. Bislang wurden die Gespräche von der Arbeitgeberseite stets als ‚konstruktiv‘ bezeichnet. „Weshalb man bei angeblich konstruktiven Gesprächen und noch ausstehenden Verhandlungsterminen die Verhandlungen für gescheitert erklärt, ist für mich unverständlich. Offensichtlich geht es dem Bereichsvorstand nur darum, die Gespräche so früh wie möglich für gescheitert erklären zu können. Nur so dürfte sich der Zeitplan der Geschäftsführung für die Verlagerung nach Ungarn einhalten lassen“, zweifelt der Betriebsratsvorsitzende Vincenzo Basile an der Redlichkeit der Arbeitgeberseite.

Die Redlichkeit des Arbeitgebers muss auch deshalb hinterfragt werden, weil sie sich der Peinlichkeit hingab, den Verhandlungsraum von innen abzuschließen – ohne Wissen des Verhandlungsteams der Arbeitnehmer. Matthias Fuchs dazu: „Ich bin hin und her gerissen, ob ich den Begriff Freiheitsentzug in den Mund nehme. Fakt ist: so was ist mir noch nie passiert.“

Arbeitgeberseite muss Worten Taten folgen lassen

Der Betriebsratsvorsitzende Vincenzo Basile wird deutlich: „Wir fordern den Bereichsvorstand auf, die Spielchen sein zu lassen und endlich mit den Beschäftigten nach Zukunftsmöglichkeiten für den Produktionsstandort Bietigheim zu suchen.“ Der Geschäftsführer der IG Metall Ludwigsburg, Matthias Fuchs, ergänzt: „Die Arbeitgeberseite muss endlich über mögliche Alternativen und die Umsetzung unserer Vorschläge verhandeln.“

Die IG Metall und der Betriebsrat hatten der Arbeitgeberseite ein umfangreiches Zukunftskonzept vorgelegt, mit dem Arbeitsplätze in Bietigheim gehalten werden können. Eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung der Arbeitgeberseite ist dazu bislang nicht erfolgt. „Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen. Wir werden alles tun, um zu vermeiden, dass Management-Fehler zum Abbau unserer Arbeitsplätze führen!“, so Andreas Riehl, IG Metall Vertrauensleuteleiter bei BOSCH AS Bietigheim.

Angebliche Vermittlungstätigkeiten der Arbeitgeberseite

Immer wieder betont die Arbeitgeberseite, sie würde den betroffenen 280 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Übernahmestellen anbieten. Betriebsrätin Miriam Baassiri stellt klar: „Mehrere Bietigheimer Kolleginnen und Kollegen erhalten von anderen Bosch-Standorten Absagen oder gar nicht erst Antworten. Worten müssen endlich Taten folgen.“ Unterstützung vom Arbeitgeber erhielten die Kolleginnen und Kollegen bei ihren Bewerbungen nicht. Vielmehr ist es so, dass angebotene Arbeitsplätze zumeist befristet sind.

Politik muss Zukunft des Produktionsstandorts Baden-Württemberg auf die Agenda nehmen

Die Mitteilung der Fertigungsschließung am Bosch Automotive Steering Standort Bietigheim war eine der ersten in einer langen Reihe von Schließungsankündigungen. „So stark wie im Moment war der Produktionsstandort Baden-Württemberg schon lange nicht mehr unter Druck. Jetzt liegt es auch an der Politik, den Produktionsstandort Baden-Württemberg zu retten“, erklärt Vincenzo Basile. In einem offenen Brief hatten sich der Betriebsrat und die IG Metall Ludwigsburg im Juni 2020 an die Landesregierung gewandt. Die Wirtschaftsministerin hatte sich daraufhin zwar kritisch zur Standortverlagerung geäußert, konkrete Maßnahmen zur Rettung des Produktionsstandorts blieben jedoch aus. „Die Landesregierung muss verstehen, dass die Quelle unseres Wohlstands in Baden-Württemberg darin liegt, dass wir sowohl Produktions- als auch Innovationsstandort sind. Entsprechende Maßnahmen müssen ergriffen werden“, so Basile weiter.

Hintergrund:

Das Betriebsverfassungsgesetz verlangt, dass vor der Stilllegung von Betriebsteilen mit dem Betriebsrat über das Ob der Stilllegung verhandelt wird (vgl. §111 BetrVG). Dagegen hatte die Arbeitgeberseite im Juni dieses Jahres verstoßen, als sie völlig überraschend die Schließung der Produktion am Standort Bietigheim öffentlich verkündete.

IG Metall und der Betriebsrat des Standorts Bietigheim haben die Arbeitgeberseite daraufhin zu Verhandlungen über einen Zukunftstarifvertrag aufgefordert, um den betroffenen Beschäftigten eine Perspektive zu bieten. Die Verhandlungen erklärte die Arbeitgeberseite am 9. Oktober 2020 unerwartet für gescheitert. Dieses zweifelhafte Vorgehen werden von IG Metall und dem Betriebsrat scharf kritisiert.

Wie mittlerweile bekannt ist, werden schon seit mindestens einem Jahr – ohne Kenntnis des Betriebsrats – Mitarbeiter des Standorts Bietigheim nach Ungarn entsandt, um die Verlagerung des Produktionsbereichs vom Standort Bietigheim an den Standort Maklár (Ungarn) voranzutreiben.

 

 

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